Geschichte der Juden in Bad Lippspringe im 19. Jahrhundert

Christian Starre – 01.01.1995 – Lesezeit ~5 Minuten

Anfang des 19. Jahrhunderts werden erstmals Juden namentlich in Lippspringe erwähnt. Es waren dies die Familien Michael Berkenstein und Israel Meyer. Aus einer 1822 angefertigten Liste über in Lippspringe wohnende Juden lassen sich weitere Einzelheiten über diese Familien entnehmen. Michael Berkenstein war verheiratet mit Blümchen Dollenkamp aus Horn. Er wurde am 20. Oktober 1811 unter die hiesigen Bürger aufgenommen und lebte vom Kleinhandel. Er hatte zwei Töchter, Julie und Sarline. Julie Berkenstein starb am 14. Dezember 1821 im Alter von neun Jahren an Nervenfieber. Israel Meyer lebte zuvor in Bisses bei Frankfurt am Main und siedelte sich 1811 in Lippspringe an. Er heiratete Bräunchen Meyer aus Schlangen. 1822 hatte das Ehepaar drei Kinder: Rebecca Meyer, geboren 1816; Israel Meyer, geboren 1818, und Hendel Meyer, geboren 1821. Israel Meyer verdiente seinen Lebensunterhalt mit Hosenhandel und war 1822 bereits Hausbesitzer in Lippspringe. Samuel Spellerberg wird ebenfalls in der 1822 angefertigten Liste genannt. Er lebte allein und war zu diesem Zeitpunkt schon über 70 Jahre alt. Schon frühzeitig bemühte sich Israel Meyer um einen jüdischen Religionslehrer für seine Kinder. Doch der Landrat zu Paderborn verwehrte 1821 dem jüdischen Lehrer Moses Jeremias die weitere Tätigkeit im Hause Meyer als Religionslehrer. Moses Jeremias stammte aus Hamburg, das für die damalige Zeit Ausland war. Außerdem hatte er seine Qualifikation als jüdischer Lehrer vor der betreffenden Staatsbehörde nicht nachgewiesen. Er musste daraufhin nicht nur Lippspringe, sondern auch das königlich preußische Gebiet binnen acht Tagen verlassen. Im Jahre 1825 gestattete dann die Regierung in Minden dem Juden Israel Meyer und dem ebenfalls noch in Lippspringe wohnhaften Michael Berkenstein, den israelitischen Lehrer Moses Kahn als Religionslehrer zu beschäftigen. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der jüdischen Bewohner in Lippspringe stetig an. Bei der Übersiedlung in einen anderen Ort mussten die Juden ein Gesuch beim zuständigen Landrat einreichen. Der Getränkehändler Hermann Rosenbach aus Hövelhof begründete 1841 seinen Wunsch, sich in Lippspringe anzusiedeln, damit, dass in Lippspringe ein weitaus höherer Bedarf an Branntwein herrsche als in Hövelhof. Das Landratsamt in Paderborn gab diesem Besuch statt. Daraufhin zog Hermann Rosenbach mit seiner Ehefrau und vier Kindern noch im Jahre 1841 nach Lippspringe. Am 26. September 1843 starb der 61-jährige Israel Meyer. Sein Sohn Meyer Meyer zeigte den Tod beim hiesigen Amt in Lippspringe an. Israel Meyer hatte über 30 Jahre hier als Höker und Schlächter gelebt. Er hinterließ seine 42 Jahre alte Frau Bräunchen Meyer und neun Kinder:

Meyer (Israel?) Meyer (25 Jahre alt), Samuel Meyer (19 Jahre alt), Marcus Meyer (19 Jahre alt), Abraham Meyer (11 Jahre alt), Moses Meyer (8 Jahre alt), Rita (Rebecca?) Meyer (27 Jahre alt), Hannchen (Handel?) Meyer (21 Jahre alt), Röschen Meyer (16 Jahre alt) und Riekechen Meyer (13 Jahre alt).

Das Begräbnis fand am 29. September 1849 auf dem Judenfriedhof in Schlangen statt. Der älteste Sohn Meyer Meyer führte das Geschäft seines Vaters zusammen mit seiner Mutter weiter. Erst 1855 bekamen die Lippspringer Juden einen eigenen Friedhof am Fichtenwäldchen, so dass alle verstorbenen in Lippspringe bestattet werden konnten. Dieser Friedhof, der an der heutigen Lindenstraße lag, wurde später umgebettet und ist nun ein Teil des Waldfriedhofes. Die weitere Zunahme der jüdischen Bevölkerung ist aus einem Verzeichnis aus dem Jahre 1854 ersichtlich. Bedingt durch den Zuwachs der jüdischen Bevölkerung in Lippspringe, wurde 1860 eine Schule mit dem Lehrer Joseph Levy aus Münster eingerichtet. Er unterrichtete 20 Jungen und Mädchen. Aber schon 1861 wurde die Schule wieder geschlossen. Von 1890-1891 wird nochmals eine jüdische Schule in Lippspringe erwähnt. Später besuchen die Kinder der jüdischen Familien die katholische Volksschule. Ein besonderes Anliegen der jüdischen Bewohner in Lippspringe war der Bau einer eigenen Synagoge. So stellten Israel und Siegfried Meyer im April 1887 den Antrag an die Gemeinde Lippspringe, das Bauvorhaben finanziell zu unterstützen. Der Antrag wurde von der Gemeindeversammlung anerkannt, insbesondere auch deshalb, weil in den Sommermonaten regelmäßig 120-160 jüdische Kurgäste eine vier- bis sechswöchige Kur in Lippspringe verbrachten. Ihnen sollte die Gelegenheit gegeben werden, den Gottesdienst angemessen zu feiern. Für den Bau einer Synagoge wurde den Juden daher ein Zuschuss von 300 Mark aus der Gemeindekasse in Aussicht gestellt. Dieser Zuschuss sollte allerdings nur dann gewährt werden, wenn die jüdische Gemeinde einen geeigneten Bauplatz vorweisen konnte. Die Gemeinde Lippspringe leitete den Wunsch der Juden, eine Synagoge zu bauen, an den Landrat in Paderborn weiter. Sie unterstützte das Vorhaben der Juden, denn in dem Schreiben an den Landrat wurde ausdrücklich auf die schlechten Bedingungen hingewiesen, unter denen die Juden in Lippspringe bisher ihren Gottesdienst abhalten mussten. Zusammen mit den jüdischen Bewohnern aus Schlangen hatten die Lippspringer Juden einen kleinen Raum gemietet, der so niedrig und eng war, dass lungenkranke Kurgäste ihn nicht betreten durften. Als Anlage wurde von der Gemeinde Lippspringe auch ein Verzeichnis der jüdischen Einwohner, die am 20. September 1887 in Lippspringe wohnten, an den Landrat in Paderborn geschickt:

Kaufmann Siegfried Meyer (sechs Familienmitglieder), Kaufmann Israel Meyer (sieben Familienmitglieder), Kaufmann Nathan Meyersberg (zwei Familienmitglieder), Handelsmann Marcus Bergstimmes (?) (sieben Familienmitglieder), Handelsmann Marcus Meyer (vier Familienmitglieder), Fleischer Joseph Meyersberg (vier Familienmitglieder) sowie Fleischer Joel Meyersberg (vier Familienmitglieder).

In der Zwischenzeit hatte die jüdische Gemeinde in Lippspringe einen Bauplatz an der Bielefelder Straße erworben und damit die Bedingung auf Gewährung eines Zuschusses aus der Gemeindekasse erfüllt. Zudem hatten jüdische Kurgäste 500 Mark gespendet. Da die Baukosten jedoch ca. 6000 Mark betrugen, entschloss sich Israel Meyer einem außergewöhnlichen Schritt. Er beantragte beim Regierungspräsidenten in Minden, dass in allen Gemeinden Westfalens, in denen Juden wohnten, eine Hauskollekte durchgeführt werden sollte. Diese sollte in der Zeit vom 01.10.1887 bis 30.9.1888 abgehalten werden. Die Bezirksregierung in Minden lehnte den Antrag jedoch am 30.11.1887 ab mit der Begründung, dass die von den Antragstellern angeführten Umstände zu einer derartigen Bewilligung keinen genügenden Anlass böten. Damit war die Hoffnung der Lippspringer Juden auf den Bau einer eigenen Synagoge zunichte. Aber schon im Jahre 1889 besserte sich die Situation. Eine Frau, die Witwe Münchhausen aus Paderborn, erwarb ein bis dahin als Kaufhaus genutztes Gebäude an der Brunnenpromenade (Schafbrücke) und überließ es den Juden als Gotteshaus. Diese Synagoge wurde zwischen 1925 und 1930 abgerissen. Ein genaues Datum lässt sich nicht mehr feststellen.