Wolfgang Kusserow
geboren am 01.03.1922 in Bochum
Wolfgang wurde 1928 in Bochum eingeschult. Nach dem Umzug der Familie Kusserow 1931 nach Bad Lippspringe besuchte Wolfgang dort die evangelische Volksschule. Nach seinem Schulabschluss begann er eine Lehre als Maler. Sein Prüfungszeugnis für das Malerhandwerk konnte er am 4. März 1940 mit guten Noten in Empfang nehmen.
1936 kam es durch das NS-Regime zu Massenverhaftungen von Bibelforschern (Zeugen Jehovas). Daraufhin verbreiteten die Bibelforscher, die noch frei waren, am 12. Dezember 1936 im ganzen Land eine Resolution (Luzerner Resolution). In dieser wurde deutlich die Entschlossenheit der Bibelforscher zum Ausdruck gebracht, im Sinne des Bibelverses aus Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 28 Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Mit der blitzartigen, reichsweiten Verteilung des Offenen Briefes am 20. Juni 1937 reagierten die Bibelforscher auf den Vorwurf der Nationalsozialisten, dass die vorherige Resolution frei erfundene „Gräuelpropaganda“ enthalten würde. In dem Offenen Brief wurden schonungslos Einzelheiten über die staatspolizeilichen Übergriffe gegen die Bibelforscher, die konkreten Namen sowohl der brutalen Täter als auch der schwer Misshandelten genannt. Es wurden die Namen von Beamten sowie Zeitpunkte und Orte der Verhaftungen angeführt. An diesen beiden Aktionen (Verbreitung der Resolution und des Offenen Briefes) beteiligte sich auch Wolfgang.
Am 7. Januar 1939 erging wegen seiner Glaubenseinstellung gegen ihn und seine Schwester Magdalena ein Beschluss des Amtsgerichts Paderborn, in dem die vorläufige und endgültige Fürsorgeerziehung angeordnet wurde. Dies hätte bedeutet, dass der zu diesem Zeitpunkt 16-jährige Wolfgang und seine 15-jährige Schwester Magdalena in ein Fürsorgeerziehungsheim untergebracht worden wären. Glücklicherweise kam es nicht soweit. Der Beschluss wurde vom Oberpräsidenten der Provinz Westfalen als Fürsorgeerziehungsbehörde angefochten und mit einem weiteren Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 14. März 1939 aufgehoben.1
Wolfgang wurde am 5. Dezember 1941 zum Wehrdienst eingezogen. Er sollte sich an diesem Tag in Detmold bei der 3. Infanterie, Ersatz-Bataillon 193 melden. Ihm war durchaus bewusst, dass eine Verweigerung des Wehrdienstes das Todesurteil für ihn bedeuten würde. Sein Bruder Wilhelm war bereits am 27. April 1940 wegen Wehrdienstverweigerung hingerichtet worden. Dennoch gab er sofort mutig bei seiner Anmeldung in Detmold zu Protokoll, dass er den Dienst an der Waffe und seine Einkleidung als Soldat verweigere.2 Daraufhin wurde er am 8. Dezember 1941 verhaftet und kam ins Gefängnis nach Berlin Alt-Moabit.
Wolfgangs Schwester Annemarie, die zu diesem Zeitpunkt in Berlin wohnte, besuchte ihn so oft wie möglich im Gefängnis. Immer wieder wurde sie jedoch vor ihren Besuchen aufgefordert, Wolfgang umzustimmen, damit er am Leben bleiben würde. Doch ihre Antwort war: „Wenn mein Bruder wüsste, dass ich ihn mit solchen Gedanken besuchen wollte, dann würde er mich gar nicht erst empfangen“.
Während seiner Untersuchungshaft im Gefängnis Berlin Alt-Moabit bereitete er seine Verteidigung vor und schrieb im Januar 1942 die Gründe für seine Wehrdienstverweigerung auf. Auszugsweise schrieb er: „Ich bin von Jugend auf nach dem Worte Gottes erzogen worden, welches in der Heiligen Schrift enthalten ist. Der Autor der Bibel ist Jehova, der allmächtige Gott. JEHOVA Gott hat den Menschen ins Dasein gerufen und hat ihm auch Gesetze gegeben zu seinem Wohl und Glück. Das größte und heiligste Gesetz, welches er den Menschen gegeben hat, lautet: ‚Du sollst Gott über alles lieben und den Nächsten wie dich selbst.‘ Andere Gesetze lauten: ‚Du sollst nicht töten‘ (das 5. Gebot) – ‚Sehet zu, dass ihr niemanden Böses mit Bösem vergeltet, sondern strebet allezeit dem Guten nach‘ (1. Tessal. 5:21). – ‚Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort, denn wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen‘ (Matthäus 26:52).“3
Am 24. Februar 1942 wurde das Urteil gegen den 20-jährigen Wolfgang gefällt. Hitler hatte entschieden, dass der Tod durch Erschießen für einen Kriegsdienstverweigerer zu gut sei.4 So lautete das Urteil gegen Wolfgang: „Hinrichtung durch ein Fallbeil.“
In seinem Abschiedsbrief, den er einen Abend vor seinem Tod an seine Eltern und seine Geschwister richtete, schrieb er: „Nun werde ich als Euer dritter Sohn und Bruder morgen früh von Euch gehen müssen. So seid nicht traurig, es wird einmal die Zeit kommen, wo wir wieder alle zusammen sein werden. … Wie groß wird die Freude sein, wenn wir uns alle wiedersehen. … So sind wir nun alle auseinandergerissen, jeder steht seinen Mann, ja das wird uns alles belohnt werden.“5
Wolfgang blieb mutig bei seiner Überzeugung, den Anweisungen Christi aus Johannes, Kapitel 13, Vers 35 zu folgen einander zu lieben. Das bedeutete für ihn, niemals in den Krieg zu ziehen und andere absichtlich zu verletzen.
Am 28. März 1942 wurde das Urteil durch das Fallbeil im Zuchthaus Brandenburg vollstreckt.