Karl Heinz Kusserow

geboren am 07.12.1917 in Bochum

Karl Heinz Kusserow. Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Karl Heinz Kusserow. Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Karl Heinz, den alle nur „Karl“ nannten, war das vierte Kind der Familie Kusserow.

1936 kam es durch das NS-Regime zu Massenverhaftungen von Bibelforschern (Zeugen Jehovas). Daraufhin verbreiteten die Bibelforscher, die noch frei waren, am 12. Dezember 1936 im ganzen Land eine Resolution (Luzerner Resolution). In dieser wurde deutlich die Entschlossenheit der Bibelforscher zum Ausdruck gebracht, im Sinne des Bibelverses aus Apostelgeschichte, Kapitel 5, Vers 28 Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Mit der blitzartigen, reichsweiten Verteilung des Offenen Briefes am 20. Juni 1937 reagierten die Bibelforscher auf den Vorwurf der Nationalsozialisten, dass die vorherige Resolution frei erfundene „Gräuelpropaganda“ enthalten würde. In dem Offenen Brief wurden schonungslos Einzelheiten über die staatspolizeilichen Übergriffe gegen die Bibelforscher, die konkreten Namen sowohl der brutalen Täter als auch der schwer Misshandelten genannt. Es wurden die Namen von Beamten sowie die Zeitpunkte und Orte der Verhaftungen angeführt. An diesen beiden Aktionen (Verbreitung der Resolution und des Offenen Briefes) beteiligte sich auch Karl.

Nach seinem Schulbesuch arbeitete er bei einer Firma in Paderborn als Klempner und Installateur. Er war von seinem Meister wegen seiner guten Arbeit gern gesehen. Allerdings gab es immer wieder Kunden, die ihn denunzierten. So geschah es zum Beispiel am 3. Juni 1940 bei den Arbeiten auf einem Firmengelände in Bad Lippspringe. Karl wollte die Stundenzettel im Büro der Bauleitung unterschreiben lassen, verweigerte aber dabei, den Deutschen Gruß auszusprechen. Das führte dazu, dass er kurze Zeit später auf Drängen der Gestapo von seiner Firma entlassen wurde.

Am 1. Mai 1940 fand die Beerdigung seines Bruders Wilhelm in Bad Lippspringe statt. Unter den Trauergästen hatten sich auch Mitarbeiter der Gestapo gemischt. An seinem Grab hielten sein Vater Franz und Karl eine Trauerrede. Karl las aus Wilhelms Abschiedsbrief vor. Am Ende seiner Ausführungen sagte Karl: „Und wir werden loben Jehova und seinen Sohn Jesus Christus und ihm unser Heil zurufen, denn die Heilige Schrift sagt, dass in keinem anderen das Heil ist, auch kein anderer Name den Menschen unter dem Himmel gegeben ist, als in Jesus Christus.“1 Aufgrund seiner Grabrede für seinen Bruder Wilhelm, wurde Karl am 24. Juni 1940 verhaftet und durch die Gestapo ins Paderborner Gefängnis gebracht.

Dort wurde er brutal vernommen und anschließend über das Gestapogefängnis Bielefeld in das KZ Sachsenhausen bei Berlin überführt. 1942 kam Karl in das Vernichtungslager Dachau, wo er sich eine schwere Tuberkulose zuzog. Sowohl in Sachsenhausen als auch in Dachau trugen Hunderte von Zeugen Jehovas, so auch Karl, an ihrer Anstaltskleidung ein lila Stoffdreieck. Durch diesen lila Winkel waren Jehovas Zeugen als eine eigene Häftlingskategorie gekennzeichnet und stigmatisiert.

Nach der Befreiung im Jahr 1945, also nach fünf Jahren Haft, wurde Karl wegen seiner schweren Krankheit von einer Krankenschwester nach Hause begleitet. Trotz intensiver Bemühungen der Ärzte konnte er sich davon nicht mehr erholen und verstarb am 4. Oktober 1946 in Bad Lippspringe.


  1. Kusserow, Hans Werner, Der lila Winkel, Köln 2005, S. 96. ↩︎