Spurensuche auf dem Waldfriedhof Bad Lippspringe

Spurensuche auf dem Waldfriedhof Bad Lippspringe

06.08.2018 – Lesezeit ~3 Minuten

Es war ein Rundgang mit denkwürdigen Stationen: Spuren jüdischen Lebens standen im Mittelpunkt eines geführten Abendspaziergangs, der im August 2018 auf dem Waldfriedhof stattfand. 35 Teilnehmer informierten sich an ausgewählten Grabstätten über die Verfolgung und Ausgrenzung von Menschen während der NS-Zeit 1933 bis 1945.

Grabstätte der Brüder Wilhelm und Wolfgang Kusserow

Grabstätte der Brüder Wilhelm und Wolfgang Kusserow

An der Grabstätte der Brüder Wilhelm und Wolfgang Kusserow wurde an das Schicksal der Zeugen Jehovas erinnert. Wilhelm, Jahrgang 1914, war im Jahr 1939 zum Kriegsdienst eingezogen worden. Wenig später verweigerte er aus Glaubensgründen den Dienst und ist daraufhin 1940 vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt worden. Am 27.04.1940 ist er in Münster hingerichtet worden. Sein Bruder Wolfgang erlitt als 20-Jähriger das gleiche Schicksal – er ist 1942 in Brandenburg hingerichtet worden. Die Eltern, Franz und Hilda Kusserow, hatten 11 Kinder und gehörten den Zeugen Jehovas an. Sämtliche Familienmitglieder hatten unsägliches Leid in den Jahren 1933 bis 1945 zu ertragen.

Auf dem Waldfriedhof existieren zudem Gräber von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, die in Bad Lippspringe gestorben sind. In einem hufeisenförmigen Grabfeld befinden sich 18 beschriftete Steine. Bei 11 Namen ist der Zusatz „UdSSR“ zu finden, weitere 6 Personen kamen ursprünglich aus Polen und ein Stein trägt die Angabe „Jugoslawien“. Die Verwitterung der Jahrzehnte führt mittlerweile dazu, dass nicht mehr alle Namen zu entziffern sind. Es sind folgende Namen gut lesbar: Frosja Petrenko, mit 29 Jahren gestorben, Irena Adameewicz, mit 18 Jahren gestorben, Leon Sanda, mit 47 Jahren gestorben, Michaele Galera, mit 46 Jahren gestorben, Wazislaw Karpinski, mit 30 Jahren gestorben. Im Zeichen des Gedenkens ist es bedeutsam, diese Schicksale aus der Anonymität hervorzuholen. In Bad Lippspringe wurden diese Menschen zur Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, teilweise auch in Möbelfabriken, in Kurpensionen oder bei der Reichsbahn eingesetzt. Ein weiteres Grabfeld befindet sich in der Nähe des Hochkreuzes; dort sind auf den Steinen folgende Namen lesbar:

Grabfeld in der Nähe des Hochkreuzes

Grabfeld in der Nähe des Hochkreuzes

Jozef Czerwinski,
Wladyslaw Siwa,
Alfred Ballion,
Waclaw Kolesinski,
Mieczyslaw Brycki,
Kazimierz Sokolik,
Julian Bandera,
Alojzy Bryl,
Stefan Tworkowski,
Julian Kalezedyniak.

Der Gedenkstein der jüdischen Begräbnisstätte

Der Gedenkstein der jüdischen Begräbnisstätte

Spuren jüdischer Kultur finden sich ebenfalls auf dem Waldfriedhof. Die Inschrift einer schlichten Steinplatte gibt 11 Namen wieder: Jakob Silbermann, Emilie Meyersberg, Friederike Goldstein geb. Andres, Therese Meyer geb. Goldmann, Israel Meyer, Albert Lorch, Berta Meyer geb. Meyersberg, Siegfried Meyer, Amalie Meyersberg, Friedolin Binnes und Julius Nagy. In diesem Zusammenhang ist auch der ehemalige jüdische Friedhof (Lindenstraße im Bereich Haupteingang Gartenschaugelände) zur Sprache gekommen. Auf diesem fand im Jahr 1855 die erste Beerdigung statt. In den Folgejahren sind in Einzelfällen auch jüdische Kurgäste dort bestattet worden. Die Existenz des jüdischen Friedhofs an der Lindenstraße endete schließlich im Jahr 1941 mit der Umbettung von 8 Verstorbenen auf den Waldfriedhof.

Auch in Bad Lippspringe mussten jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger ab dem Jahr 1933 Ausgrenzung und Entwürdigung erleiden. So wurden damals die jüdischen Familien Abrahams, Edelmann, Levy, Lorch, Meyer und Naumann massiv drangsaliert und etliche Familienmitglieder wurden deportiert und in Konzentrationslagern getötet. Zur Erinnerung an eine dieser betroffenen Frauen ist ein Straßenname nach ihr benannt worden, der Clara-Lorch-Weg, abzweigend von der Bielefelder Straße. Am jüdischen Ehrengrab ist insbesondere das Schicksal der Familie Lorch beleuchtet worden.

Organisiert wurde dieser Rundgang auf dem Waldfriedhof von der örtlichen Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Bad Lippspringe“. Diese Arbeitsgruppe ist seit März 2018 in Bad Lippspringe aktiv und möchte mit der Verlegung von kleinen aus Messing gefertigten Gedenktafeln weiter die Aufarbeitung und Dokumentation der menschenverachtenden Geschehnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus unterstützen. Jeder dieser Steine soll einem Menschen gewidmet sein, der Opfer des nationalsozialistischen Regimes geworden ist.