Hans Werner Kusserow

geboren am 02.08.1928 in Bochum

Hans Werner Kusserow. Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Hans Werner Kusserow. Jehovas Zeugen, Archiv Zentraleuropa

Ab 1933 bekam er immer wieder mit, wie sein Elternhaus von der Gestapo durchsucht und verwüstet wurde, weil sie auf der Suche nach verbotener, bibelerklärender Literatur von Jehovas Zeugen waren.

Aufgrund der Verweigerung des Fahnen- sowie Hitlergrußes war er schon als Kind in der Schule den Schikanen des Schulleiters, Herrn Wellpott, ausgesetzt. Dies führte so weit, dass Herr Wellpott das Jugendamt verständigte. Daraufhin wurde vom Amtsgericht Paderborn ein Beschluss gegen Hans Werner und seine zwei Geschwister, Elisabeth und Paul Gerhard, erlassen, der ihren Eltern das Sorgerecht entzog. Ohne Vorwarnung wurden die drei Kinder – Hans Werner mit nur 10 Jahren – am 7. März 1939 von einem Sturmführer und einem Polizeibeamten abgeholt. Hans Werner war an dem Tag nicht in der Schule, da er an einer Grippe erkrankt war. Er wurde brutal aus dem Krankenbett geholt und in das Auto gezerrt1, in dem seine zwei Geschwister bereits saßen. Dann wurden sie in ein Heim für schwer erziehbare und kriminelle Jugendliche nach Dorsten gebracht. Lange wusste keiner in der Familie, wohin die drei Jüngsten gebracht worden waren.

Im Heim wurden sie voneinander getrennt. Wie in einem Gefängnis2 verschlossen die Erzieher stets alle Türen und die Fenster waren vergittert. Nach vier Monaten kamen sie in ein anderes Kinderheim nach Nettelstedt bei Minden. Hier begegnete Hans Werner einem brutalen Heimleiter namens Gutjahr, der ihn während der zweieinhalb Jahre Aufenthalt im Heim immer wieder körperlich misshandelte. Als dieser mitbekam, dass Hans Werner den Fahnen- und den Hitlergruß aus Überzeugung verweigerte, bestellte Herr Gutjahr ihn zu sich nach Hause. Hier nahm er seinen Rohrstock und trieb Hans Werner wie Vieh in den Garten, dann an den Waldrand und gab ihm Kommandos: „Rauflaufen, hinlegen, aufstehen, rauflaufen, runterkommen, hinlegen! […] Stell dich nicht so an! Weitermachen! […] Das müssen unsere Soldaten jeden Tag für uns ertragen, um den Feind niederzumachen.“ Dann schmiss er Hans Werner „in den Schnee und zerschlug noch seinen Rohrstock auf [seinem] Rücken.“3 Hans Werner selbst erinnert sich: „Nach diesen Quälereien des Heimleiters habe ich mich tagelang abends ins Bett verkrochen, damit andere meine seelischen Schmerzen nicht bemerkten.“4 Diese Szenen wiederholten sich immer wieder. Über die Erlebnisse ihres Bruders Hans Werner sagte seine ältere Schwester Elisabeth später: „Gern hätte ich diese Misshandlungen auf mich genommen, als das mit anzusehen.“5

Am 10. Februar 1942 sollte Hans Werner das Heim verlassen und kam zu den Pflegeeltern Osterholz nach Etteln bei Paderborn. Nach einiger Zeit gewann Hans Werner hier neues Vertrauen und es wurde sein neues Zuhause in der Nazizeit. Zwar stand er hier unter Aufsicht der NS. Die Familie Osterholz schirmte ihn aber weitestgehend von den Kontrollen ab und gaben gute Beurteilungen über ihn ab. Die Arbeit in der Landwirtschaft machte Hans Werner viel Spaß und hier hatte er auch die Chance, gelegentlich seinen Bruder Paul Gerhard zu treffen.6

Später konnte er bei Familie Heitmeier in Lippling bei Paderborn eine Lehre als Elektroinstallateur beginnen. Die Arbeitsbedingungen waren sehr hart und diese Familie kümmerte sich wenig um Hans Werner.

Im November 1944 wurde es für Hans Werner noch einmal sehr gefährlich. Hitler wollte die restliche Heimatreserve an Jugendlichen und Senioren aktivieren, sodass auch der Jahrgang von Hans Werner – er war zu dem Zeitpunkt 16 Jahre alt7 – eingezogen werden sollte. Hans Werner war fest entschlossen, nicht in den Krieg zu gehen, und stellte sich schon darauf ein, seinen zwei Brüdern Wilhelm und Wolfgang, die wegen Wehrdienstverweigerung hingerichtet worden waren, in den Tod zu folgen. Rechtzeitig kam jedoch das Kriegsende. Er hatte Glück.


  1. Kusserow, Hans Werner, Der lila Winkel, Bonn 1998, S. 224, Abs. 2. ↩︎

  2. Idem, S. 226, Abs. 1. ↩︎

  3. Idem, S. 232, Abs. 4. ↩︎

  4. Idem, S. 233. Abs. 2. ↩︎

  5. Idem, S. 234. ↩︎

  6. Idem, S. 248 ff. ↩︎