Elfried Naumann

geboren am 17.02.1925

Ein Zeitzeuge berichtet aus seinem Leben: Elfried Naumann während eines Vortrags am 12.11.2010 (Foto: Klaus Karenfeld)

Ein Zeitzeuge berichtet aus seinem Leben: Elfried Naumann während eines Vortrags am 12.11.2010 (Foto: Klaus Karenfeld)

Elfried Naumann war das zweite Kind von Paula und Rudolf Naumann. Nach den Nürnberger Rassegesetzen galt er als Halbjude, obwohl er evangelisch getauft und Ostern 1939 konfirmiert worden war.

Früh schon musste Elfried die Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben erfahren. So wollte er gerne der örtlichen Pfadfindergruppe beitreten, die im Ort Zeltlager und Spiele veranstaltete. Der Leiter dieser Gruppe, Egon von Fürstenberg, war zudem Elfrieds unmittelbarer Nachbar. Zu diesem ging der damals Achtjährige, und bat um Aufnahme. In seinen Erinnerungen schildert Elfried, dass die Situation dem Gruppenleiter sehr unangenehm war. Er habe sehr ausweichend reagiert und ihm eine konkrete Antwort verweigert. Teilnehmen durfte Elfried natürlich nicht – ein Halbjude durfte nicht Pfadfinder werden.

Zur Zeit des Novemberpogroms 1938 war Elfried 13 Jahre alt. Als er am Morgen des 10. November zur Schule ging, sah er, dass die Fenster im Haus seiner Großmutter am Marktplatz (Lange Str. 6), in dem auch seine Tanten Clara Lorch und Meta Meyer, sowie Claras Söhne Helmut und Werner wohnten, eingeschlagen waren. In der Nacht waren die Nazis durch die Stadt gezogen und hatten die Häuser der Juden aufgesucht, um die männlichen Bewohner aus dem Bett zu zerren und in die Lippequelle zu treiben. Dabei war auch so manche Fensterscheibe zu Bruch gegangen. Auch die anderen Schulkinder hatten die Zerstörungen bemerkt, so dass in der Klasse natürlich viele Fragen aufkamen. Doch Lehrer Wellpott erstickte sämtliches Gespräch im Keim: „Darüber wollen wir nicht reden“ war seine Ansage an die Kinder, wie Elfried später berichtete.

Nach seiner Schulzeit machte Elfried von 1940 bis 1943 eine Ausbildung zum Fotografen in Paderborn. Anschließend arbeitete er als Geselle in Soest. Eigentlich hätte er Journalist werden wollen, doch ein Studium war für ihn aufgrund der Nürnberger Rassegesetze ausgeschlossen.

Ab April 1944 wurde Elfried, der zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt war, als Zwangsarbeiter eingesetzt. Er hatte für ihn überraschend die Aufforderung bekommen, sich mit eigener Verpflegung für drei Tage beim Arbeitsamt in Soest zu melden. Von dort ging es nach Dortmund, von wo aus ein Sammeltransport starten sollte. Elfried berichtete später, dass er keine Ahnung gehabt habe, was dieses bedeuten sollte. Schließlich wurde ihm erklärt, dass er für die Organisation Todt zu arbeiten habe. Die Organisation Todt, benannt nach ihrem Führer Fritz Todt, war eine paramilitärische Bautruppe, die vor allen Dingen für Baumaßnahmen in den von Deutschland besetzten Gebieten eingesetzt wurde, so beispielsweise für den Ausbau des Großprojektes Atlantikwall. Viele Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge wurden bei den Arbeiten eingesetzt. Zunächst ging es für Elfried nach Frankreich, wo er Schützengräben ausheben oder Bahngleise reparieren musste. Nachdem die Amerikaner in Frankreich gelandet waren, führte der Weg Elfried zurück nach Deutschland. Dort musste er im Sauerland im unterirdischen Geheimprojekt „Schwalbe 1“ mitarbeiten. Der Winter 1945 war bitterkalt. Elfried schrieb in sein Tagebuch: „Baustelle wird zur Qual. Wir legen Kabel in tiefgefrorenen Boden, bei 20 Grad Kälte“.

Im Sauerland erlebte Elfried dann auch den großen Angriff auf Paderborn am 27. März 1945. Stundenlang seien die An- und Abflüge der Flieger zu hören gewesen. Nachrichten, dass Bad Lippspringe schon besetzt sei, drangen zu ihm durch. Am 14. April 1945 schließlich traf Elfried einen farbigen US-Soldaten, dem weitere Soldaten folgten. Das Glücksgefühl, das er damals empfunden habe, sei unbeschreiblich gewesen, berichtete er später.

Nach dem Krieg konnte Elfried endlich als Journalist arbeiten. Gleichzeitig trat er als aktiver Zeitzeuge gegen das Vergessen auf. So schilderte er insbesondere vor Schulklassen immer wieder über seine Erlebnisse unter der Nazi-Diktatur.

Elfried Naumann wurde 87 Jahre alt. Er verstarb am 29. Juni 2012.